Gehet hin und tut Busse

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Das Luzerner Hinterland hat seine eigene Geografie. Hier führt der Jakobsweg nicht etwa nach Santiago de Compostela, sondern in den «Vatikan». Im zweiten Teil unserer Sommerserie «Weltreise» pilgerte WB-Redaktorin Monika Wüest vom Ufhuser Zollhaus, wo wir im ersten Teil die Familie Schwegler trafen, ins Willisauer Bahnhofsgebiet. Ihr Reisebericht:

Eines vorweg: Mit dem Pilgern kannte ich mich bislang nicht aus. Mit Ausnahme von Souvenirs, mitgebracht von der sehr eifrig wallfahrenden Grossmutter, hatte ich damit kaum etwas zu tun. Ich musste mich also erst einmal in dieses Metier einlesen. Fündig wurde ich auf der Webseite www.pilgern.ch. Da steht etwa: „Ethymologisch bezieht sich das Wort pilgern auf das lateinische Verb ‚peregre‘ – über den eigenen Acker hinaus gehen. Ein Pilger bricht auf, um den eigenen ‚Acker‘, die eigene Lebenswelt zu verlassen. Die Pilgerin, der Pilger begibt sich in die Fremde. Ein mittelalterliches Pilgerlied nennt dies ‚das elend wagen‘.“

Die Webseite listet zudem mehrere Gründe fürs Pilgern auf. Genau, wonach ich gesucht hatte. Denn bevor es losging, brauchte ich unbedingt noch einen Grund für meine Reise. Ich entschied mich für Punkt 2.1: „Zur Busse und Sühne von begangenem Unrecht, von Schuld, von Sünden.“ Der Grund für meine Entscheidung: Da ich grundsätzlich ein vorbildliches Leben führe, habe ich kaum etwas, wofür ich Busse tun müsste – eine dreistündige Wanderung sollte da gerade so genug sein, um mein Seelenheil wieder herzustellen. Das dachte ich zumindest. Ich wurde dann allerdings mehrfach eines besseren belehrt.

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Frau Lustenberger und Frau Schärli verkauften mir im Ufhuser Dorfladen Käse, Brot und Fleisch. Da war alles noch gut.

Es ging also los. Vom Ufhuser Zollhaus ins Dorf, um im Dorfladen einzukaufen. Den Rucksack mit Käse und Fleisch gefüllt, machte ich mich auf die beschwerliche Wanderung. Doch es kam kein geeignetes Plätzli, um zu essen. Gott fand offenbar, laufen alleine sei zu wenig Busse für mich. Und liess mich hungern. Zwei Stunden lang. So schwitzte ich also. Und hungerte. Und tat gar furchtbar Busse. Die Kühe auf den Weiden schauten mich sehr eigenartig an. Und ich schaute sehr eigenartig zurück. Herumlaufendes Fleisch. Wenn ich doch nur ein Bänkli finden würde.

Endlich! Hallelujah! Dank sei Gott! Ein Bänkli! Glücklich packte ich Käse, Fleisch, Brot und Wasser aus dem Rucksack. Das Wasser lief mir nun nicht mehr nur in Strömen von der Stirne, sondern auch im Mund zusammen. Doch dann musste ich feststellen: Offenbar hatte ich noch nicht genügend Busse getan. Alles weitere dazu lesen Sie hier.

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Bald war ich nur noch ein Schatten meiner selbst.

Mit vollem Magen ging es weiter Richtung Vatikan. Die Füsse schmerzten, die Kleider stanken, die Sonne sengte. Ich begann, meine Sünden seit der letzten Beichte zusammenzuzählen. Ich kam nicht auf so viele, um diese Qualen zu rechtfertigen. Doch ich neige dazu, vergesslich zu sein.

Endlich erreichte ich den kühlen Wald. Im Geiste lief ich nun locker und beschwingt. Ich war überzeugt: Nun waren meine Sünden abgetragen. Jetzt konnte ich zu mir kommen, mein inneres Gleichgewicht finden, glücklich werden. Eine tiefe, innere Zufriedenheit überkam mich. Und dann kamen die Brennesseln.

Sie müssen wissen: Ich hasse Brennesseln. Ich hasse sie ebenso wie Schmeissfliegen, Stechmücken, Schlangen und Spinat. Und ich fragte mich: Hatte mich der Teufel geritten, als ich am Morgen kurze Hosen anzog? Oder war es doch Gott, der fand, eine bisschen zusätzliche Qualen würden mir auf meinem Weg zum Seelenheil gut tun?

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Der Wald: das Zuhause von angenehmem Schatten und bösartigen Brennesseln.

Wie auch immer. Ich war einige Meter, Aua-Rufe und Flüche weiter nun ganz sicher, endgültig alle Schulden abgetragen zu haben. Ich ging unversehrt an zwei Bienenhäusern vorbei und hatte sogar WC-Papier dabei. Gute Zeichen! Eine halbe Stunde lang kam ich problemlos voran. Bis mich im Städtli Willisau Lektion 2 ereilte. Es müssen die Flüche bei den Brennesseln gewesen sein, für die ich nun Busse tat.

Die Hosen befleckt, die Seele rein: So kam ich schliesslich in den Vatikan hinein.

Für diesen schlechten Reim werde ich wohl wieder Busse tun müssen. Aber er war es wert. Genau so, wie meine Pilgerreise. Ich war über den Acker hinausgegangen, hatte „das elend gewagt“. Und einige schaurig-schöne Stunden gewonnen.

Amen.

 

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Am Ziel: Die Kuppel des Petersdom.

 

Nebst viel Gegend gab es unterwegs übrigens vor allem etwas zu beobachten: Tiere. Kleinere, grössere, leisere und lautere. Hier das Beweisvideo:

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