Sommerserie 2017 – Gipfelstürmer

Auf Winterbergs Lieblingsberg

Umgekehrte Welt. Wo Lukas Winterberg normalerweise in einem Höllentempo den Chrüzberg runterrast, weiden Kühe gemütlich auf der saftig grünen Wiese. Wo dem gebürtigen Rogg­liswiler normalerweise der Schweiss der Anstrengung von der Stirn herunterläuft, sind heute die warmen Temperaturen dafür verantwortlich. Und anstelle eines Helmes sitzt auf seinem Haupt eine gegelte Frisur.

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Mit Blick auf Dagmersellen und die Chrüzberg-Strecke sitzt er entspannt auf einer Parkbank, spricht über seine Kindheit und den (vorerst) geplatzten Traum einer Profikarriere. Das letztjährige Missgeschick am Chrüzberg hat er abgehakt. Nun schaut er nach vorne und trainiert hart, um im Dezember an «seinem» Berg voll angreifen zu können.

Im Gipfelgespräch verrät er unter anderem, welches eine vielfach unterschätzte Schlüsselstelle der Chrüzberg-Strecke ist…

 

…und welches Missgeschick ihm vor einigen Jahren passiert ist.

Der Gipfel ist erklommen

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769 m ü. M. liegt der höchste Punkt des Chrüzbergs. Nach einer schweisstreibenden Wanderung sind Praktikantin Céline Pfister und Redaktor Pascal Vogel oben angekommen. Als Fahnenstange fürs Gipfelfoto dient ein alter Zeitungshalter.

Bevor sich Redaktor Stephan Weber zur nächsten Tour aufmacht, steht das Gipfelgespräch mit Radquer-Fahrer Lukas Winterberg an.

Jogging-Einheit und Kontrollgang

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Der Gipfel rückt näher, die Gipfeli-Säcke leeren sich. Auch Joggerin Renata Lütolf lässt sich nicht zweimal bitten. „Aber ich esse das Gipfeli erst Zuhause, zu einem Kafi“, sagt die Dagmersellerin und lacht. Wenn möglich gehe sie dreimal pro Woche joggen, meist mit einer Kollegin. Die sei momentan aber in den Ferien. „Nächste Woche drehe ich den Spiess dann aber um.“

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Mit seiner dunklen Kleidung gut getarnt im dichten Wald ist Lukas Haefely. In der Hand hält er eine Gartenschere, befreit damit die Rottannen von Dornenstauden. Seit zehn Jahren besitze er hier rund zehn Hektaren Wald. Er geniesse die Ruhe der Natur, tanke Kraft. Als Dirigent der MG Schlierbach und der MG Zetzwil kann er davon nicht genug haben.

 

Laubfrei in die Jägerhütte

Schon von weitem ist ein lautes Röhren zu vernehmen, noch bevor die alte Jägerhütte in der Chüesteli ins Sichtfeld rückt. Sepp Theiler hat den Laubbläser zur Hand genommen, sorgt für eine saubere Umgebung.

 

Der Gemeindearbeiter leert die Abfallkübel und legt frisches Brennholz unter die Hütte. Ein Schlaraffenland für jeden Grill-Fan.

Zieht schlechtes Wetter auf, kann die frei zugängliche alte Jägerhütte in Beschlag genommen werden. Verborgen im Schatten des Waldes, lädt sie zu gemütlichen Stunden ein. Hier seien häufig Jasser anzutreffen, sagt Sepp Theiler. Da es an Elektrizität fehlt, spenden bei Dunkelheit Kerzen Licht.

 

 

Eingekehrt in der Kapelle

Im Schutze des Waldes liegt sie, verborgen hinter einem grossen Kreuz und etlichen Tannenbäumen: die Wallfahrtskapelle Chrüzberg.

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Walter Gassmann ist Kapellenpfleger. Einmal pro Woche schaut er beim Wallfahrtsort ob Dagmersellen zum Rechten.

Immer mit dabei hat er frische Blumen aus dem eigenen Garten. Gladiolen, Malven und Lilien sind es heute. Links und rechts der Limpias-Darstellung, der zwölften Station der beiden Kreuzwege, legt er die Blumen nieder.

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Mit dem Besen zur Hand erklärt Walter Gassmann, dass Wertschätzung der grösste Lohn für ihn sei. „Wenn Leute kommen und die schön dekorierte und saubere Kapelle loben, ist das ein sehr schönes Gefühl und bestärkt mich in meiner Arbeit.“

Diese beinhaltet auch das Bereitstellen der weissen Kerzen und roten Gläser. Flämmchen flackern im Kerzenhäuschen. Walter Gassmann öffnet dessen Flügel, greift nach den leeren Gläsern und begutachtet sie. „Manchmal weisen sie schwarze Russspuren auf. Dann nehme ich sie mit nach Hause und wasche sie.“ Er ist Kapellenpfleger – durch und durch.

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Ein sagenhafter Wallfahrtsort

83 Treppenstufen sind es noch bis zur Chrüzbergkapelle.

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Oben angekommen, treffe ich Jules Walthert. Kaum einer weiss über Dagmersellen und den Chrüzberg so gut Bescheid wie der pensionierte Lehrer. Auf dem Hügel ob Dagmersellen ist er viel unterwegs, geniesst die Natur. Kommt er an der Chrüzbergkapelle vorbei, muss er immer wieder an die Entstehungsgeschichte des Wallfahrtsortes denken.

 

 

Ein alter Bekannter

Auf dem neuen Belag der Kreuzbergstrasse geht es aufwärts. In entgegen gesetzter Richtung und mit reichlich Müll unterwegs sind die Güselmänner der Josef Frey AG. Am Steuer des Lasters: Urs Zust.

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Bereits vor acht Jahren hatte der Surseer Kontakt zum WB, chauffierte einen Redaktor quer durch Dagmersellen. „Der Bericht hängt heute noch an meinem Schrank“, sagt der 62-Jährige nicht ohne Stolz, bevor er die 320 Pferdestärken zum nächsten Container manövriert.

Umgeben von „Russen“

Auf unserer Route kommen wir am Restaurant Chrüzberg vorbei. Drinnen: Eine heitere Runde, morgens um 10 Uhr. Neun Kerle mit gestreiften Shirts – unter ihnen ein ehemaliger WB-Mitarbeiter – machen den Daltons Konkurrenz. Inmitten der heiteren Männerrunde: „Kreuzberg“-Wirtin Maria Vogel – ebenfalls in einem gestreiften Shirt und mit dem Daumen gen Himmel zeigend.

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„Quartalsschweissen“, sagt Maria Vogel und nimmt das eingerahmte Bild von der Wand. So würden die acht Männer das Vierteljährliche Treffen in ihrem Restaurant nennen. Seit 20 Jahren halten sie ihr die Treue – nur das mit dem Quartal würden sie nicht mehr ganz einhalten. „Schliesslich sind mittlerweile alle gestandene Familienväter“, sagt sie.

Zweimal pro Jahr serviert sie den Männern aber immer noch ein Cordon Bleu. „Das kleine – die haben lieber ein Bier mehr“, sagt sie und lacht. Beim „Sträflingskostüm“ handelt es sich übrigens um ein Telnjaschka, das „Gnägi“ der russischen Marine, mitgebracht von einem der neun Männer aus einer Russlandreise.

Taufe neben der „Arche“

Bereits nach wenigen Metern: grosses Gemecker. Zwergziegen, 17 an der Zahl, warten hungrig auf ihr Morgenessen. Zwei Säcke voller Gipfeli kommen da gerade gelegen. „Die fressen alles“ ruft Friedrich Wilhelm.

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Gemeinsam mit seiner Frau Hanny und Paul Berwert schaut er zu den Tieren im Gehege neben der „Arche“. Nebst den Zwergziegen sind dies sieben Hühner, drei Kaninchen und eine Handvoll Meerschweinchen, die er morgens und abends füttert. „Jetzt haben sie besonders Hunger, heute bin ich spät dran“, sagt der 72-Jährige.

Abseits des grossen Trubels steht ein kleines Böcklein. „Den haben wir erst seit einer Woche. Künftig wird er hier den Ton angeben“, sagt Wilhelm.

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„Er braucht etwas Sonderbehandlung – und einen Namen“, schiesst es aus dem Tierfreund. Nach einem kurzen Moment des Innehaltens streicht er dem Böcklein mit dem Daumen über die Stirn: „Ich taufe dich auf den Namen Böttu.“

Auf zum Chrüzberg

IMG_86168.17 Uhr, Kirche Dagmersellen. Auf 483 m ü. M. startet die dritte Gipfeltour der diesjährigen Sommerserie. Redaktor Vogel macht sich auf, den 769m hohen Chrüzberg zu erklimmen. Mit dabei: Kamera, Notizblock, Kugelschreiber, 20 Gipfeli und ein Zeitungshalter. Für was letzterer hinhalten muss? Dies erfahren Sie hier im Laufe des Tages.